Charité – Universitätsmedizin Berlin, Universitätsklinikum Frankfurt

RACOON | Radiological Cooperative Network zur COVID-19 Pandemie

Das Projekt hat als erstes dieser Größenordnung eine landesweite Infrastruktur zur strukturierten Erfassung radiologischer Daten von COVID-19-Fällen errichtet. RACOON hat zum einen die strukturiert befundeten und analysierten Daten COVID-19-verdächtiger Pneumoniefälle nutzbar gemacht. Zum anderen können darauf aufbauend nun Entwicklungen und Erkenntnisse auf der Basis hochstrukturierter Daten, beispielsweise zur Unterstützung von KI-Entwicklungen, bereitgestellt werden.

Die Module aus RACOON dienen einerseits als wertvolle Entscheidungsgrundlage für epidemiologische Studien, Lageeinschätzungen und Frühwarnmechanismen. Andererseits bietet sich die Möglichkeit für die Automatisierung diagnostischer und bildverarbeitender Schritte.

Schon frühzeitig im Verlauf der COVID-19-Pandemie zeigte sich, dass radiologischen Daten eine Schlüsselrolle in der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung zukommt. Die Mehrzahl schwerer Krankheitsfälle weist eine Lungenbeteiligung auf, und radiologische Befunde erlauben eine differenzierte Beschreibung des Krankheitsverlaufs. Die Beurteilung von Lungenbeteiligungen spiegelte sich in den bisherigen Phasen der Krisenbewältigung der COVID-19 Pandemie in allen nationalen Gesundheitssystemen wieder. Radiologische Bildgebung kann pandemische Lungeninfektionen erkennen, bewerten, messen, nachverfolgen und zugrunde liegende Risikofaktoren benennen. Die Radiologie steht damit an der Pforte zum Gesundheitswesen und dient bei der Therapieüberwachung als Entscheidungswerkzeug und Messinstrument.

 

Eine Hürde für die systematische quantitative Erfassung und Auswertung radiologischer Daten stellte die Tatsache dar, dass die klassische Befundung radiologischer Daten generell im Freitext erfolgte. Freitextbefunde sind der maschinellen Auswertung in großen Stückzahlen aber nicht zugänglich. Seit einigen Jahren hat sich in der Radiologie daher die Vorgehensweise der sogenannten "strukturierten Befundung" etabliert. "Strukturierte Befundung" ist ein Paradigma für die Erfassung, Archivierung und Verarbeitung von medizinischen Daten, das sich dadurch auszeichnet, dass jeder Befund und Messwert zu jeder Zeit mit Metainformationen verknüpft ist, die eindeutig und reproduzierbar definieren, wie dieser Befund erhoben, quantifiziert oder aus anderen Daten abgeleitet wird. In RACOON wurde eine landesweite, strukturierte Datenerhebung umgesetzt. Dies schaffte die Voraussetzungen, radiologische Befunde in großen Zahlen und in Echtzeit zu verarbeiten, statistisch auszuwerten (einschließlich der Zuführung zu modernen Analysemethoden wie Machine Learning und Data Mining) sowie mit anderen Datenquellen zusammenzuführen.

RACOON hat als weltweit erstes Projekt dieser Größenordnung eine landesweite Infrastruktur zur konsequent strukturierten Erfassung radiologischer Daten von COVID-19-Fällen errichtet, an die sich künftig zahlreiche Mehrwertdienste anschließen können - beispielsweise epidemiologische Frühwarnsysteme oder medizinische Assistenzsysteme auf Basis künstlicher Intelligenz. RACOON bediente sich dabei einer Technologie, die die strukturierte Erfassung ab initio ermöglicht, d.h. jeder Messwert wird bereits im Augenblick seines Entstehens durch einen Radiologen mit Kontextinformationen annotiert, die seine klinische Bedeutung definieren und so die Nachvollziehbarkeit, Qualität und langfristige Verwertbarkeit gewährleisten.

  • Erstens stellen die bundesweit erhobenen, strukturiert befundeten, analysierten und zusammengetragenen Daten zu COVID-19-verdächtigen Pneumoniefällen eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für epidemiologische Studien, Lageeinschätzungen und Frühwarnmechanismen dar. Mögliche Erkrankungswellen können so frühzeitig erkannt und in ihrer Signifikanz beurteilt werden, auch ein langfristiges passives Monitoring ist möglich. Dies kann in dieser Breite und Nachhaltigkeit durch alternative, aktiv betriebene Testkampagnen nur eingeschränkt gewährleistet werden. Forschungsgruppen werden auf Basis des RACOON-Datenbestands die Daten weiter aufbereiten, um “actionable insights” für Politik und Gesundheitswesen zu gewinnen. Eine Anzahl von Projektanträgen zur Nutzung dieser Mehrwerte wurden bereits zusammengetragen und vorbereitet.
  • Zweitens generiert RACOON “science-ready”-Datenprodukte, die aufgrund eines vereinheitlichten Datenmodells und nachhaltiger Qualitätssicherungsmechanismen eine ideale Grundlage für wissenschaftliche Studien darstellen, die Wirkmechanismen der Krankheit und relevante Einflussfaktoren untersuchen und Erkenntnisse zu Risikofaktoren und Therapieansätzen ableiten. Die hochstrukturierten Daten eignen sich auch ideal zum Training Künstlicher Intelligenz, so dass Assistenzfunktionen geschaffen werden können, die Abläufe von der einzelnen Befundung bis zur Kapazitätsplanung im Gesundheitswesen unterstützen. Davon profitieren zunächst Forschende mit innovativen Ansätzen, denen jedoch der eigene Zugang zu ausreichend großen Patient*innenkohorten fehlt; mittelbar fließen die Ergebnisse erfolgreicher Studien in das Gesundheitswesen zurück und verbessern die Behandlungsqualität aller Patient*innen.

Im Rahmen des Projekts wurde ein deutschlandweites Netzwerk aller universitären Radiologien (38 Standorte) zur Forschung an Bilddaten aufgebaut, welches zur dezentralen und zentralen Erforschung von radiologischen Fragestellungen eingesetzt wird. Im Fokus steht hierbei die radiologische Bildgebung. Sie soll zur Erkennung und Vorhersage von Lungenerkrankungen, insbesondere dem Verlauf von COVID-19, eingesetzt werden. Dazu wurde eine bundesweite Kohorte von über 14.000 computertomographischen (CT) und 2.460 Röntgen-Datensätzen standardisiert erhoben. Der einzigartige Vorteil dieser Kohorte ist ihre hohe Repräsentativität. Dies stellt die direkte Anwendbarkeit von Ergebnissen, z. B. für KI-Anwendungen in der Radiologie, sicher und wird zu einem besseren Verständnis der COVID-19 Erkrankung und der Pandemiebekämpfung beitragen.

Um dieses Netzwerk aufzubauen, wurde eine Anzahl von Herausforderungen gelöst und eine Vielzahl von Komponenten speziell entwickelt:

  • Die Netzwerkstruktur folgt den strengen Datenschutzregeln der DSGVO, dafür müssen umfangreiche regulatorische Voraussetzungen im föderalen Verbund erfüllt und ein entsprechendes Rahmenkonzept erarbeitet werden.
  • Die Datenerhebung wurde über das gesamte Netzwerk einheitlich gestaltet und eine mit internationalen Standards abgestimmte Befundung durchgeführt; so wurden strukturierte Templates zur Datenerhebung entwickelt, relevante Befundinhalte wurden in den GECCO und GECCO-Plus Datensätzen integriert
  • Es wurden ausführliche Dokumentationen und Anleitungen zur Vereinheitlichung der Datenerhebung erstellt
  • In RACOON werden Algorithmen zur automatischen Annotation von anatomischen und pathologischen Bildmerkmalen verwendet, auch um eine besonders hohe Datenqualität sicherzustellen
  • Typische Lungenveränderungen wurden durch Radiologen in Bilddatensätzen aufwändig eingezeichnet, um ein Training von KI-Modellen zur Erkennung dieser Lungenveränderungen zu ermöglichen
  • Es wurden Methodenpakete zur KI-Entwicklung auf aggregierten Bilddatensätzen entwickelt, welche in RACOON deutschlandweit anwendbar sind
  • Zur Übersicht über Kennzahlen und Ergebnisse wurde ein visuelles Pandemie-Dashboard zur Darstellung der Erkenntnisse aus der Bildgebung entwickelt
  • Um auch für zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein, wurden die Voraussetzungen für eine deutschlandweite Expertenkonsultation geschaffen

Ausgelöst durch die außergewöhnliche Situation einer globalen Pandemie konnte mit RACOON eine bisher weltweit einzigartige, kollaborative Infrastruktur geschaffen werden. RACOON hat in der ersten Förderphase ein deutschlandweites Servernetzwerk inklusive harmonisierter Softwareumgebungen und organisatorischer Maßnahmen zur Kollaborationsforschung aufgestellt. RACOON ermöglicht dadurch erstmalig eine Infrastrukturgrundlage für multizentrische Bildgebungsforschung aller Universitätskliniken in Deutschland und zählt alle universitätsmedizinischen radiologischen Institute in Deutschland zu den Projektpartnern.

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