Bald nach Rekrutierungsbeginn standen qualitätsgesicherte Daten und Bioproben für Forschungsprojekte im Netzwerk und kooperierende Wissenschaftler*innen zur Verfügung. Die daraus gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden aus den unterschiedlichen Bereichen zusammengetragen, um kurzfristig evidenzbasierte Therapieempfehlungen zu entwickeln. Darüber hinaus wurden die neuen Erkenntnisse genutzt, um die zur Pandemiesteuerung getroffenen Maßnahmen evidenzbasiert zu reevaluieren, wodurch entsprechende Maßnahmen präzisiert und damit die direkten und indirekten Pandemiekosten reduziert werden konnten.
Globale und regionale Perspektive
Im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit auf globaler und regionaler Ebene sollte NAPKON kurzfristig die schnellstmögliche Verfügbarkeit von hochwertigen Daten und Biomaterialien sicherstellen, um langfristig ein effizientes Handeln auf gesundheitspolitischer Ebene in Pandemiesituationen zu ermöglichen und die netzwerk-interne und internationale Zusammenarbeit zu fördern. NAPKON erlaubte im Rahmen der Daseinsvorsorge, Ressourcen des Gesundheitssystems effektiv und angemessen zur Verfügung zu stellen und dem NUM, sich in die weltweiten Bemühungen zur Pandemiebekämpfung einzubringen und somit einen relevanten Beitrag bzgl. Ursprung, Pathomechanismen, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten des Erregers zu leisten.
Krankenhaus- und Patient*innenmanagement-Perspektive
Auf Ebene des Krankenhaus- und Patient*innenmanagements konnten mit Hilfe der generierten Daten Risikopatient*innen und vulnerable Personengruppen identifiziert und wirksame Präventivmaßnahmen, Diagnose- und Behandlungsansätze entwickelt werden. Triage- oder Scoring-Systeme trugen dazu bei, Entscheidungsprozesse in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung zu unterstützen und die Ressourcen effizient einzusetzen. Aus gesundheitsökonomischer Sicht hilft die evidenzbasierte Kategorisierung von Risikopatient*innen, die Krankenhauskapazitäten ressourcenschonend zu nutzen, die verschiedenen Gesundheitssektoren optimiert und diagnostische und therapeutische Maßnahmen rational einzusetzen. Die Bioproben dienen beispielsweise der Entwicklung von Impfstoffen und wirksamen Therapeutika sowie der Identifizierung von Biomarkern für den Schweregrad der Infektion oder zur Medikamentenwirksamkeit, um Patient*innen bestmöglich und kosteneffizient behandeln zu können.
Patient*innen-Perspektive
Die medizinische Entscheidungsfindung ist in der Regel ein kooperativer Prozess, bei dem Patient*innen und Ärzt*innen gemeinsam eine Strategie festlegen und dabei u. a. wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungen sowie Wertvorstellungen und Präferenzen berücksichtigen. Bei einer neuen Pandemie verfügen Ärzt*innen nur bedingt über Instrumente, um individualisierte und evidenzbasierte Empfehlungen aussprechen zu können. Dies führt zu Unsicherheiten, bedroht die individuelle Gesundheit und schränkt die Autonomie der Patient*innen ein. Um Erkenntnisse für eine individualisierte Behandlung zu generieren, können die hochqualitativen und repräsentativen Daten aus NAPKON einen wertvollen Beitrag leisten.
Skalierbarkeit
Kern des Plattformkonzeptes ist eine transregionale und transsektorale qualitätsgesicherte Erfassung von Risikofaktoren, Behandlungsaspekten und gesundheitlichen Konsequenzen einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. zukünftiger Pandemien. In den verschiedenen Plattformen entstehen universitär geführte Netzwerke unterschiedlicher Zusammensetzung, deren Größe und teilnehmenden Institutionen den jeweiligen wissenschaftlichen Fragestellungen folgen. Die unterschiedlich granulare Erfassung der Patient*innendaten und Bioproben in den einzelnen Plattformen bildet die Grundlage für Anschlussprojekte, die von der molekularbiologischen Grundlagenwissenschaft bis zur Versorgungsforschung und seelischen Gesundheit reichen, und damit den translationalen Ansatz des Gesamtprojektes widerspiegeln. Entsprechend der dynamischen Erkenntnislage in Pandemiesituationen wird durch fach- und organspezifische Arbeitsgruppen Einfluss auf die weitere Daten- und Probensammlung genommen, wobei die grundsätzliche Plattformstruktur langfristig auch für zukünftige Pandemien bestehen bleibt.
Nachhaltigkeit
Die Entwicklung der aktuellen Strukturen erfolgt zwar aus Anlass der COVID-19-Pandemie, ist jedoch auf nachfolgende Pandemien ausgerichtet. Im Sinne einer Pandemic Preparedness können die in diesem Fördervorhaben etablierten, pathogenunabhängigen Strukturen bei künftigen Pandemien schnell und kosteneffizient angepasst werden. Ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit ist dabei die Trennung der wissenschaftlichen von der wirtschaftlichen oder gesundheitspolitischen Verwertung der Ergebnisse durch ein etabliertes Datenlizenzmodell. Die Verwertung des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnes folgt dabei der dezentralen wissenschaftlichen Expertise der einzelnen Standorte und Netzwerkpartner*innen, während die versorgungsrelevanten Erkenntnisse zur weiteren Pandemiesteuerung von zentraler Bedeutung sind und in Echtzeit den entsprechenden Entscheidungsträger*innen im Gesundheitssystem weitergeleitet werden können.