NAPKON-TIP

Medizinische Empfehlungen stützen sich auf hochwertige Evidenz, die idealerweise durch randomisierte kontrollierte Studien (RCT) generiert wird. Um ausreichend Daten zur Beurteilung einer medizinischen Situation zu sammeln, müssen bisher entsprechend viele RCTs für Interventionen in einer einzelnen Indikation durchgeführt werden, was mit langen Umsetzungszeiten und mangelnder Flexibilität verbunden ist. Während der COVID-19-Pandemie wurde deutlich, dass adaptive Plattformstudien zielgenaue Lösungen in gesundheitspolitischen Situationen bieten, in denen die Erkenntnislage schnell zunimmt. Mit NAPKON-TIP soll die erste Infrastruktur für Plattformstudien in Deutschland aufgebaut werden, in der Erfolgskonzepte aus bereits international erfolgreichen Studienplattformen integriert und an den rechtlichen nationalen Kontext (Regulatorik, Datenschutz) im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) angepasst werden.

 

In NAPKON-TIP werden unabhängig vom ersten Anwendungsfall Therapiestudien geplant, in denen Medikamente, Geräte/Software (Medizinprodukte) und nicht-pharmakologische Interventionen geprüft werden sollen. Dabei ist eine Stratifizierung der Patient:innen auf Grundlage einzelner Marker oder einer Kombination aus klinischen Profilen, Biomarkern, bildgebenden Markern und psychometrischen Daten vorgesehen. Dafür fließen auch durch digitale Gesundheitsanwendungen erfasste Daten ein. Um mit den verfügbaren Daten und digitalen Informationen kontinuierliche Anpassungen der klinischen Studien an den neuesten Wissensstand zu ermöglichen (Prinzip der adaptiven Studie), sind regelmäßige Zwischenanalysen und mathematische Modellierungen erforderlich. In strukturierten Arbeitsgruppen - organisiert in klar definierten Arbeitspaketen - sollen Masterprotokolle und Routinen entwickelt werden, die zwischen den Arbeitsgruppen regelmäßig kommuniziert und vor allem harmoniert werden müssen.

Nur durch frühzeitige Einbindung der NAPKON Kohorten mit Zugang zu Patient:innen aller Versorgungsebenen, zu Forschungsnetzwerken in Notfall-, Intensiv- und Allgemeinmedizin, zu behandelnden Zentren der Primär- und Sekundärversorgung, zu klinischen Zentren sowie zu Rehabilitationskliniken aber auch zu Regulierungsbehörden, Ethikkommissionen und institutionellen Prüfungsausschüssen kann die notwendige qualitäts- und vertrauensbasierte Interaktionsstruktur etabliert werden. Unterstützt durch regelmäßige Zwischenanalysen durch ein Datenüberwachungskomitee und ein unabhängiges Datenanalysezentrum werden die notwendigen funktionalen Routinen in Form von Masterprotokollen für adaptive Interventionsstudien etabliert. Während einer klinischen Studie notwendige Entscheidungen zur Anpassung des Designs (z.B. Abbruch eines Therapiearms wegen Aussichtslosigkeit) werden durch Bayes'sche Entscheidungskriterien und Studiensimulationen unterstützt. Um eine erfolgreiche Rekrutierung in den ersten Studien zu erzielen, wird die Studienplattform so früh wie möglich in die klinische Routine der teilnehmenden klinischen Zentren integriert, z. B. durch die Nutzung elektronischer Patientenakten sowie durch Einbindung etablierter Netzwerke und Register.

Durch die adaptive Struktur erwarten wir folgende Vorteile gegenüber einem klassischen Studiendesign:

  • beschleunigte Bewertung und Umsetzung der Grundlagenforschung in die klinische Praxis bezüglich der Stratifizierungsmarker, Interventionen und Ergebnisse
  • Vorteile für die an der Plattformstudie teilnehmenden Patient:innen, die direkt von den in der Studie vorgesehenen Behandlungen profitieren
  • schnelle Übertragbarkeit von zügig gewonnenen Ergebnissen zur Sicherheit und Wirksamkeit einer Behandlung auf einer generalisierten Ebene auf alle in die Studie eingebundenen Patient:innen

Methodisch hochwertige und ausreichend große klinische Studien sind eine notwendige Bedingung, um klinische Evidenz zu generieren, Leitlinien zu erstellen bzw. zu beeinflussen, um das Behandlungsergebnis für Patient:innen zu verbessern. Durch NAPKON-TIP erhält das NUM die Möglichkeit, praxisverändernde klinische Prüfungen national auszurollen und damit eine Schlüsselinfrastruktur für die Revitalisierung der klinischen Studienlandschaft in Deutschland anzubieten.