Aufbau eines nationalen Evidenznetzwerks zu COVID-19 unter der Federführung des Instituts für Evidenz in der Medizin (für Cochrane Deutschland) am Uniklinikum Freiburg. Durch die Identifikation, Aufarbeitung, Bewertung, Synthese und zielgruppengerechte Kommunikation wissenschaftlicher Daten und Ergebnisse zu COVID-19 wird sichergestellt, dass individuelle Therapieentscheidungen, institutionelle und öffentliche Versorgungsstrategien sowie politische Entscheidungen auf der Basis der aktuell verfügbaren Evidenz getroffen werden können.
Universitätsklinikum Freiburg
CEOsys | Aufbau eines COVID-19 Evidenz-Ökosystems zur Verbesserung von Wissensmanagement und Translation

Um die Herausforderungen einer Pandemie zu bewältigen, ist ein koordiniertes Vorgehen zwischen Grundlagenforschung, Medizin, Politik und Öffentlichkeit erforderlich. Zur optimalen Prävention und Behandlung müssen viele politische, medizinische und praktische Entscheidungen parallel und unter Zeitdruck getroffen werden. Diese Entscheidungen sollten jedoch immer auf der aktuell besten Evidenz beruhen, d. h. auf der sorgfältigen Erfassung, Bewertung und Interpretation der Ergebnisse aller verfügbaren relevanten wissenschaftlichen Studien.
Um dies zu ermöglichen, baute das Verbundprojekt CEOsys mit 20 Universitätskliniken und mehreren außeruniversitären Partnern ein nationales Evidenz-Ökosystem zu COVID-19 auf. Das Projekt erfasste fortwährend systematisch laufende oder bereits abgeschlossene Studien aus aller Welt. Die veröffentlichten Ergebnisse wurden standardisiert bewertet und zusammengefasst. Solche Zusammenstellungen von Studienergebnissen heißen Evidenzsynthesen. Werden diese auf den Ergebnissen neuester Studien basierend regelmäßig aktualisiert, spricht man von „lebenden Evidenzsynthesen“. Ein weiteres Ziel von CEOsys war die Kommunikation dieser Erkenntnisse unter Nutzung zielgruppenspezifischer Kanäle.
CEOsys erstellte lebende Evidenzsynthesen zu wichtigen Fragestellungen zu COVID-19 in den Feldern:
- Testung und Diagnostik
- Ambulante und stationäre Behandlung
- Intensiv- und palliativmedizinische Versorgung
- Krankenhaushygiene
- Prävention und Public Health (Gesundheit der Bevölkerung)
- Psychische Gesundheit
Diese durch das interdisziplinär aufgestellte und international vernetzte CEOsys-Verbundprojekt erstellten Evidenzsynthesen dienten als Basis für:
- nationale Handlungsempfehlungen für die Versorgungspraxis von COVID-19 Patient*innen (medizinische Leitlinien)
- politische Entscheidungen für die Gesundheit der Bevölkerung (Schulleitlinie)
- die Planung dringend notwendiger weiterer Forschung (nationaler Forschungsfahrplan)
Sollen Entscheidungen in Arztpraxis oder Klinik, im öffentlichen Gesundheitsdienst und in der Politik auf Basis wissenschaftlicher Studienergebnisse getroffen werden, bestehen u. a. folgende Herausforderungen:
- Studienergebnisse müssen zeitnah und vollständig veröffentlicht werden.
- Ihre Qualität muss sorgfältig bewertet werden.
- Ergebnisse müssen objektiv und in der vergleichenden Gesamtschau interpretiert werden.
- Qualitätsgesicherte Erkenntnisse müssen der Politik, der praktisch tätigen Ärzteschaft und Pflege, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie den Bürgern schnell und verständlich vermittelt und die für die spezifische Zielgruppe relevanten Medien zur Übermittlung genutzt werden.
- Man benötigt Rückmeldungsschlaufen von den Zielgruppen zurück zur Wissenschaft, um deren Perspektive für zukünftige Forschungsfragestellungen zu erfassen.
Durch die in CEOsys zusammengeschlossenen Expertinnen und Experten wurden wissenschaftliche Untersuchungen zu COVID-19 kontinuierlich und systematisch unter Nutzung internationaler Datenbanken erfasst. Schnell agierende Analyseteams bewerteten neue Studienergebnisse und stellten fortwährend aktualisierte Ergebnisübersichten („lebende Evidenzsynthesen“) bereit. Diese wurden für aktuelle Handlungsempfehlungen und Informationen genutzt, welche anschließend den spezifischen Adressaten (z. B. medizinische Behandlungsteams und Patienten) zur Verfügung gestellt wurden. CEOsys etablierte einen direkten Kommunikationskanal zur Rückkopplung von Fragestellungen bzw. offenen Problemen in der Bewältigung der COVID-19-Pandemie von Seiten der Anwender aus der medizinischen Versorgung, der betroffenen Bevölkerung und der politischen Entscheidungsträger an die Wissenschaft. Weiterhin erarbeitete das Netzwerk eine Methodik zur standardisierten Priorisierung von Forschungsfragen und einen Forschungsfahrplan als Ausgangspunkt für die Initiierung großangelegter klinischer Studien zu den dringendsten Fragestellungen.
Mit CEOsys wurde im Netzwerk Universitätsmedizin eine leistungsstarke, schnelle und interdisziplinäre Netzwerk-Arbeitsgemeinschaft geschaffen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur COVID-19 Pandemiebewältigung qualitätsgesichert, unabhängig und schnellstmöglich auf Relevanz zu prüfen und Anwender*innen und Entscheider*innen mittels Evidenzsynthesen und Handlungsempfehlungen sowie Bürger*innen über mediale Aufbereitung passgenaue und verständliche Informationen und Entscheidungshilfen zur Verfügung zu stellen. CEOsys stellte damit ein neues, evidenzbasiertes Verbindungselement zwischen Wissenschaft und allen in der medizinischen Versorgung beteiligten Fachkräften, politischen Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen dar. Das Projekt konnte so zu einer hohen medizinischen Versorgungsqualität für die Bevölkerung auf aktuellstem wissenschaftlichem Erkenntnisstand beitragen. Gleichzeitig wurden Forschungsaktivitäten zur Pandemiebewältigung auf die für die Bevölkerung dringendsten Fragestellungen ausgerichtet.
Mit dem Abschluss von CEOsys endet die intensive Arbeit an Evidenzsynthesen. Doch die in kürzester Zeit aufgebaute, äußerst erfolgreiche Verzahnung von Methodik und klinischer Praxis in einem großen, multidisziplinären Netzwerk hat als Blaupause für die Zukunft wichtigen, bleibenden Wert. Das theoretische Konzept des Evidenz-Ökosystems hat sich in der praktischen Anwendung bewährt und lässt sich zukünftig in epidemischen Notlagen ebenso nutzen wie bei der besseren Bewältigung bekannter Volkskrankheiten. Das gewonnene Know-How geht ab 2022 auch in neue Projekte unter dem Dach von NUM 2.0 ein.
Wie geplant wurden in den sechs Themenfeldern von CEOsys lebende Evidenzsynthesen zu einer großen Zahl von drängenden Fragen der Pandemie erstellt. Diese Zusammenfassungen des Forschungsstandes zeigen seit Anfang 2021 großen Impact auf nationaler und internationaler Ebene:
1. Beiträge von CEOsys zu nationalen Leitlinien
Leitlinien sind systematisch entwickelte Hilfen zur Entscheidungsfindung. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxiserfahrungen, berücksichtigen aber auch ökonomische Aspekte. Evidenzsynthesen von CEOsys bilden die Grundlage für evidenzbasierte Leitlinien, die in Kooperation mit dem Institut für Medizinisches Wissensmanagement (IMWI) der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) als Bindeglied zu den medizinischen Fachgesellschaften erstellt wurden. Zunächst erschien im Februar 2021 die Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“. Sie erhielt zwischenzeitlich den Status einer „lebenden“ Leitlinie, die auf Basis neuer Evidenz regelmäßig aktualisiert wird. Ebenfalls im Februar 2021 kam die erste Version der S3-Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19 heraus, die seitdem mehrfach aktualisiert und erweitert wurde. Auch die Leitlinie zur ambulanten Therapie von COVID-19 konnte auf Basis von CEOsys-Evidenzsynthesen Ende 2021 auf das evidenzbasierte Niveau S2e aufgewertet werden. Diese Leitlinien sind eine wichtige Basis für entsprechende Entscheidungen, sei es an Schulen und Kultusministerien, in der Hausarztpraxis oder im Krankenhaus auf der COVID-19-Station.
2. Cochrane Reviews
Evidenzanalysen von CEOsys bilden auch die Grundlage einer Serie von Cochrane Reviews. Diese systematischen Übersichtsarbeiten zu konkreten Fragestellungen dienen international als Referenz für den aktuellen Stand der Wissenschaft. Zum Ende des Projekts waren bereits zehn Cochrane Reviews auf Basis von CEOsys-Evidenzsynthesen erschienen, insbesondere zu Therapieansätzen und Maßnahmen des Infektionsschutzes. Weitere Reviews von CEOsys-Autor*innen erscheinen nach Projektende.
Darüber hinaus fanden Erkenntnisse aus CEOsys, insbesondere zur Methodik, den Weg in hochrangige Forschungsjournale. Eine Übersicht findet sich HIER.
3. Wissenstransfer, Schulungen und Umfragen
Ergebnisse von CEOsys sind in Formaten wie Evidence Briefs, Leitlinien-Empfehlungen im Kitteltaschenformat oder Patienteninformationen einem breiteren Publikum zugänglich. Ende März 2021 hielt CEOsys ein erstes Leitlinien-Webinar zur stationären Therapie von COVID-19 ab, in dem namhafte Referent*innen die Empfehlungen und die zugrundeliegende Evidenz erläuterten. Eine zweite Auflage dieses Webinars fand Ende 2021 aus Anlass der Aktualisierung der Leitlinie statt. Beide Webinare waren sehr gut besucht, Aufzeichnungen stehen auf der CEOsys-Webseite zur Verfügung (https://covid-evidenz.de/medien/).
Wissenstransfer ist keine Einbahnstraße. In diesem Sinne führte CEOsys Umfragen unter den Teilnehmenden eines Bürger-Panels sowie unter Klinik-Mitarbeitenden durch, um Informationsbedürfnisse und bevorzugte Informationskanäle zu COVID-Themen oder die Impfbereitschaft unter Klinik-Mitarbeitenden abzufragen.