Interview: Gemeinsam stärker – GBN wird Teil des NUM

BU: GBN-Vorstand: Dr. Gabriele Anton, PD Dr. Sara Y. Nußbeck, PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf (v. l. n. r.), © GBN.

Zum 1. Juli wird das German Biobank Network (GBN) in das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) integriert – ein wichtiger Schritt für die nationale Biobanken-Infrastruktur. Unter dem etablierten Namen GBN werden künftig die bisherigen Aktivitäten des German Biobank Node und der German Biobank Alliance gebündelt. Was die Einbindung in das NUM bedeutet und welche Chancen sie bietet, darüber sprechen die GBN-Vorstandsmitglieder Dr. Gabriele Anton, PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf und PD Dr. Sara Y. Nußbeck im Interview.

Das GBN koordiniert die Zusammenarbeit von humanen Biobanken an Universitätsklinika und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland. Auf internationaler Ebene fungiert das GBN als deutsche Vertretung im europäischen Biobanken-Netzwerk BBMRI-ERIC (Biobanking and BioMolecular resources Research Infrastructure – European Research Infrastructure Consortium). BBMRI-ERIC verbindet Biobanken in über 20 Ländern und fördert Vernetzung, Standardisierung und Qualität im Biobanking in Europa.

Was bedeutet die Integration des GBN in das NUM und wie kam es dazu?

Sara Y. Nußbeck: Der Zusammenschluss mit dem NUM ist ein großer Erfolg: Er bringt Biobanken und Forschende näher zusammen und schafft zugleich eine dauerhafte Perspektive für das GBN. Die im Koalitionsvertrag festgehaltene langfristige Verstetigung des NUM ist auch für uns eine riesige Chance.

Michael Kiehntopf: Die enge Anbindung an das NUM ist strategisch ein wichtiger Schritt. So können wir Biobanking noch stärker als Querschnittsthema in der medizinischen Forschung verankern – von der klinischen Studie bis zur datengetriebenen Forschung.

Welche Vorteile bringt es dem NUM?

Nußbeck: Wir bringen eine fest etablierte Infrastruktur mit, sowohl national als auch europäisch durch unsere Anbindung an BBMRI-ERIC. Gerade auf EU-Ebene wird es immer wichtiger, Bioproben und Daten enger zu verknüpfen. In den skandinavischen Ländern funktioniert das bereits gut; daran möchten wir auch hierzulande anknüpfen. Das NUM kann dabei von unserer europäischen Erfahrung profitieren.

Gabriele Anton: Die lokalen Biobanken sind bereits in vielen NUM-Studien aktiv. Nun kommt die Koordinierungsstelle des GBN hinzu, wodurch die Struktur insgesamt gestärkt wird. Auch im Fortbildungsbereich bringen wir viel ein, beispielsweise durch Schulungen und Webinare.

Warum ist qualitätsgesichertes Biobanking so wichtig für die Forschung?

Anton: Forschung findet heute viel häufiger standortübergreifend statt. Wenn Bioproben aus verschiedenen Kliniken zusammengeführt werden, ist es entscheidend, dass sie nach einheitlichen Standards gesammelt und verarbeitet wurden. Genau das stellen wir im Netzwerk sicher.

Kiehntopf: Das verbessert nicht nur die Qualität, sondern auch die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen. Mithilfe unserer Audits und Ringversuche können wir Prozesse objektiv prüfen und kontinuierlich optimieren. Und das haben wir über die Jahre mit messbarem Erfolg getan.

Anton: Auch Probenspender:innen profitieren. Sie können sicher sein, dass ihre Proben verantwortungsvoll behandelt und möglichst effektiv in der Forschung eingesetzt werden.

Wo liegen die größten Synergien zwischen GBN und NUM?

Nußbeck: Bisher liefen manche Dinge parallel, die wir nun zusammenführen können. Vor allem in den Bereichen Fortbildung und Audits lassen sich gemeinsame Programme etablieren. Mit unserer europäischen Perspektive können wir zudem nationale und internationale Anforderungen besser aufeinander abstimmen.

Anton: Auch mit Blick auf IT-Systeme und Datenplattformen bringt die Integration viele Vorteile. So wird es künftig leichter, klinische Daten und Bioproben systematisch zusammenzuführen. Zudem können wir Tools wie den Sample Locator und das BBMRI-ERIC-Directory nutzen, um die Sichtbarkeit von Bioproben aus Deutschland in Europa zu erhöhen.

Was erhoffen Sie sich für die Zukunft unter dem NUM-Dach?

Nußbeck: Anders als in kleineren Ländern haben wir in Deutschland durch die Vielzahl der im NUM vertretenen Uniklinika Zugang zu sehr vielen Patient:innen. Wenn wir diese Zusammenarbeit weiterentwickeln, stärken wir unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit. COVID hat gezeigt: Wenn alle an einem Strang ziehen, geht vieles schneller. Jetzt geht es darum, dies nachhaltig umzusetzen.

Wie stellen Sie sich die im Koalitionsvertrag vorgesehene „Nationale Biobank“ vor?

Nußbeck: Das passt gut zur Idee einer national koordinierten, dezentral aufgebauten Biobankstruktur. Die Grundlagen sind da: spezialisiertes Know-how vor Ort und eine zentrale Koordination. Was es braucht, ist eine dauerhafte Finanzierung, etwa für flexibel einsetzbares Personal. Denn Biobanking lebt von Erfahrung und Qualifikation.

Anton: Genau, die Struktur steht. Jetzt muss sie so ausgestattet werden, dass sie jederzeit einsatzbereit ist. Dann werden wir auch für Industriepartner noch attraktiver und können die Forschung schneller und effektiver unterstützen.

Kiehntopf: Die über Jahre hinweg etablierte Qualitätssicherung ist eine wichtige Grundlage für transnationale und reproduzierbare Forschung. Eine nationale Biobank-Infrastruktur muss diesen Qualitätsanspruch übernehmen und konsequent weiterführen.

 

Unsere Interviewpartner:innen:

Dr. Gabriele Anton, GBN-Vorstandsmitglied, Biologin, Leiterin der Biobank Ostwestfalen-Lippe der Medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld, Co-Koordinatorin des „Bioproben Hub“ im NUM

PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf, GBN-Vorstandsmitglied, Labormediziner und Biochemiker, Leiter der Integrierten Biobank Jena (IBBJ) und des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik am UK Jena, stellvertretender Vorsitzender der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF e. V.)

PD Dr. Sara Y. Nußbeck, GBN-Vorstandssprecherin und „National Node Director“ im BBMRI-ERIC, Molekularbiologin, Leiterin der Zentralen Biobank der Universitätsmedizin Göttingen (UMG)

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